Stoffwechsel-Graphik

1971/1973  (24′56″)
Oktophone Komposition zu dem Musiktheaterstück „Stoffwechsel“
Post Serial Music/Tape Music

Die oben genannten zwei Titel beziehen sich auf das Theaterstück „Stoffwechsel“ und die Musik dazu genannt „Graphik“.

Die Musik „Graphik“ zu dem Musiktheater „Stoffwechsel“ setzt sich aus sechs Teilen – sechs Wörtern zusammen, die eine große Bedeutung innerhalb des Textes einnehmen.

  1. Sem (musikalischer Arbeitstitel Schwebungen) (3’21“)
  2. Mes (musikalischer Arbeitstitel Spannungen) (4’10“)
  3. Geben – Lernen – Nehmen (musikalischer Arbeitstitel Konversation) (8’35“)
  4. Gebären (musikalischer Arbeitstitel Kontrakturen) (4’52“)
  5. Ideal (musikalischer Arbeitstitel Segmente) (7’53“)
    Neu bearbeitet für Sunwheel unter den Titeln Circle 1 und Circle 2
  6. Sterben (musikalischer Arbeitstitel Differenzen) (nicht mehr vorhanden)

Der Kompositionsvorgang:
1. Mit dem Graphmus System trifft der Komponist eine Auswahl der Klangstrukturen für die einzelnen Wörter = Buchstabensysteme.
2. Der Komponist setzt Maßstäbe an, mit denen er das Graphmus-Klangmaterial für eine Kompositionsidee gefügig macht, und trägt das Ergebnis in das graphische Formblatt ein.
3. Die musikalische Kompositionsidee wird realisiert, d.h. der Komponist verarbeitet die durch Punkt 1 und 2 starren Klanggebilde zu einer kompositorischen Einheit, in der Tonmalerei und sonstige Interpretationsmöglichkeiten eingearbeitet sind.
a. der zu Grunde liegenden Wörter
b. des Textes

Diese Dreiteilung des Kompositionsvorgangs ergibt folgende Ergebnisse:
1. Der enge Zusammenhang zwischen
a. Musik – Text
b. musikalischen Ausdruck – Textinterpretation
ist gewährleistet.
2. Die Musik in ihrer Ästhetik ist rationell überprüfbar und nicht nur rein vom Gefühl her abhängig und verständlich.

Das Publikum:
Um den Verständlichkeitsgrad (elektronische Musik!) des Musiktheaters „Stoffwechsel“ zu erhöhen, steht am Anfang und Schluss eines Musikteils eine Erkennungsmarke, d.h. eine charakteristische Klang- bzw. Geräuschformation, die es dem Publikum ermöglicht, die Komposition schnell zu identifizieren. Somit erhält der Zuschauer eine Interpretationshilfe, da Musik durch Text und Text durch Musik interpretierbar ist und die Musik an bestimmten wichtigen Stellen des Textes eingesetzt wird.

Die Musik ist realisiert und auf ihre oktophone Raumwirkung hin untersucht worden. Im Sommersemester 1972 wurde der Text in einem Seminar der Theaterwissenschaft Erlangen diskutiert. Die Tonbänder können jederzeit zur Einsicht vorgelegt werden.

Stoffwechsel

Zum Inhalt:

Die Problematik des Stückes befasst sich mit der Osmose einer Puppe in einen Menschen. Die zwei Handelnden, Puppe und Mensch, stehen am Anfang einer Neuentwicklung. Die Puppe, eine noch unfertige Person versucht den Menschen zu kopieren. Dies zeigt sich in einem Erkenntnis-Prozess, angefangen mit dem Erlernen der Bewegung und der Sprache, bis hin zum selbstständigen Denken. Der Mensch, der seine Vergangenheit überwinden will, bemüht sich in einem neuen Lebensabschnitt, seine ihm negativ erscheinenden Charakterzüge abzustreifen. Die Entwicklung der Puppe läuft darauf hinaus, dass sie am Ende ein Idealbild der Vorstellungen des Menschen darstellt. Sobald der Mensch erkennt, dass seine Ideale Realität geworden sind, verlieren sie für ihn an Faszination. Er zerstört seine bis dahin gültigen Ideale (Tod der Puppe) und beginnt sich ein „neues“ Ziel zu setzen. (Inhaltsrondo).

Zur Sprache:

Die Sprache in dem Theaterstück möchte ich mit dem Pointillismus vergleichen. Viele kleine Sprachbilder, die zuerst ohne Zusammenhang erscheinen, verdichten sich am Ende zu einer Gesamtheit.

Zur Musik:

Durch das „graphmus-system“ werden die Buchstaben des Alphabets mit dem notenalphabet in Verbindung gebracht. So können die für den Komponisten wichtig erscheinenden Begriffe aus dem Theaterstück in Akkorde umgesetzt werden. Die Tonmalerei wurde mit einbezogen. Die Tonmalerei, die schauspielerischen oder gesanglichen Fähigkeiten und der versuch aus Objekten theatralisch klänge zu erzeugen genügt nicht, sich die Forderung einfallen zu lassen, Musiktheater zu machen. Vielmehr müssen alle theatralischen und musikalischen Möglichkeiten in einem ausgewogenen Verhältnis zusammengefasst werden.

Die Komposition „Graphik“ beruht auf elektronischen Elementen in Verbindung mit organischen klängen z.b. Gläsern. Die Musik ist fest notiert und lässt keine Improvisation zu. Die Komposition wurde im Hörspiel Studio erlangen (Theaterwissenschaft) realisiert. 1973 sollte auch das dazugehörige Theaterstück „Stoffwechsel“ im Experimentiertheater in Erlangen in Premiere gehen. Dies fand aus besetzungstechnischen, wir fanden keinen Pantomimen, der auch sprechen konnte, und produktionellen sowie finanziellen Gründen nicht statt.

Das elektronische Stück Schwebungen bedient sich einer Kompositionsmethode, die Herbert Eimert zu Beginn der 50-ziger Jahre formuliert hatte. Es werden nur 1 Sinusgenerator, 1 Rauschgenerator und 2 Tonbandgeräte verwendet. Der Zeitablauf ist mit der Tonbandschnitttechnik gestaltet.

Schwebungen entstehen durch eine Überlagerung von zwei in der Tonhöhe eng benachbarten Tönen. Der Tonhöhenunterschied dieser beiden Frequenzen ist sehr klein. Deswegen hört man nicht zwei unterschiedliche Tonhöhen sondern nur einen einzigen Ton mit einer Lautstärkenschwankung. Diese nennt man Schwebung.

Bei einer Differenzfrequenz von z.B. 1 Hz = Metronomzahl 60 hört man somit eine Schwebung von 1 Sekunde.

Schwebungen ist wie folgt aufgebaut:

  1. Vorstellung des Materials
  2. Durchführung
  3. Schlussgedanke mit Wind

The Circle 1
1973/1992 (18’20”)
The Circle 2
1973/1994 (12’00”)
Electronic Music; tape music

Das “Graphmus-System”, einem Anfang der siebziger Jahre entwickelten Kompositionssystem, das Worte für das Theaterstück “Stoffwechsel” in Musik übersetzt, diente als Ausgangspunkt für die Komposition. In diesem Fall wurde das Wort “Ideal” mit der graphischen Form, dem Kreis, in Verbindung gebracht. Gerade der Kreis ist eine Form, die man nur verhältnismäßig berechnen, aber niemals exakt z.B. zeichnen kann, ein Ideal also.
1992 und 1994 wurde “The circle” überarbeitet, es sind zwei unterschiedliche Stücke mit unterschiedlichen Dauern, und während der Sunwheel LelystadSunwheel Lelystad (9.00 Uhr) und Sunwheel Masada (11.40 Uhr und 14.45 Uhr) neu aufgeführt.

© Copyright - Michael Fahres