Cetacea

2006 (40′08″)
Elektro Instrumentale Musik
für Sabar Trommeln, Delphinklängen, Elektronik und Videoprojektion

“Cetacea” verbindet Delphingeräusche, die im Delphinarium in Duisburg aufgenommen wurden, mit den Rhythmen von 6 senegalesischen Perkussionisten. Das Basismaterial der Komposition besteht aus den Klickfolgen dieser Meeressäuger. Ihr Sonar ist normalerweise nicht hörbar (150 kHz) und musste daher mit einer computergestützten hochauflösenden digitalen Technologie in einen hörbaren Frequenzbereich (max. 20 kHz) transponiert werden. Die Aufnahmefrequenz der Unterwassergeräusche betrug 384 kHz. Das Ergebnis sind weit pulsierende Klanggewebe.

Durch Sonar können sich Delfine orientieren, Objekte orten, Temperaturen erkennen und auch miteinander kommunizieren.

Die senegalesischen Sabar-Trommler kommunizieren über große Entfernungen durch perkussive Muster. Diese akustische Verbindung war die Inspiration, mit dem Perkussion-Ensemble des senegalesischen Meistertrommlers Doudou N’Diaye Rose zu arbeiten.

Das Konzert ist die Bandversion in 5.1 Surround-Sound. Ohne esoterische Klischees entfaltet dieser vielschichtige Klangozean hypnotische Effekte.

Was zuvor stattfand:

Zufällig sah ich im Herbst 2003 eine Fernsehsendung über die Arbeit des Meeresbiologen Michel André, der Bojen, die mit Unterwasserlautsprechern ausgestattet sind, in der Meeresenge zwischen Gran Canaria und Teneriffa verankert, um so mit Ultraschallklängen die Cetacea (walartige Säugetiere) vor großen Schiffen zu warnen und zu schützen. In den letzten Jahren wurden nämlich einige Wale von Fähren während ihrer Ruhepause angefahren und getötet. Nach einem Treffen mit Michel André wurde mir deutlich, dass ohne die wissenschaftliche Arbeit von Dr.C.Kamminga (TU Delft, Research on dolphin sounds) eine solche Arbeit nicht realisiert werden konnte.

Überhaupt sind die in der TU Delft unternommenen Untersuchungen von den Echosignalen der Cetacea weltweit einzigartig. Prof. J.A.M. v.d. Weiden (TU Delft) analysierte z.B. die Echosignale der Delphine (rhythmische Klicks) auf deren Regelmäßigkeit und Systematik und die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Sabar-Trommler Doudou N’Diaye Rose in Senegal, Stammesmitglieder identifizieren sich ähnlich wie bei den Delphinen mit Rhythmen, ließ überraschende Parallelen zwischen diesen Rhythmuspatronen und der Sprache der Cetacea erkennen. Durch den überraschenden Tod von Dr. C.Kamminga im November 2002 kam ein plötzliches Ende aller Forschungen.

Eine hörbare Verbindung herzustellen zwischen den Rhythmussprachen von Mensch und Delphin, mit einem Kompositionsprojekt die Parallelen und Unterschiede der Rhythmen zu untersuchen und dies alles in einem Konzert zu präsentieren, diese Argumente sind für mich die Triebfeder gewesen “Cetacea” zu schreiben. Musik ist Kommunikation und dies im wahrsten Sinne des Wortes.

Projektablauf:

– Historische Tonaufnahmen

Die analogen Unterwassertonaufnahmen von Dr.C.Kamminga, die an der TU Delft und in Amersfoort lagern, sind eine Klangquelle für die Komposition “Cetacea”. Die Tonaufnahmen sind auf einem speziellen Tonbandgerät (Racal store 4d) mit der Schnelligkeit von 60 ips aufgenommen. Mit dieser Technik kann Sonar sogar bis 300.000 Hz registriert werden. Denkbar wäre es, während der Arbeit die wichtigsten Aufnahmen von Dr.Kaminga auf CD zu archivieren und auch dem Delphinarium in Duisburg zur Verfügung zu stellen.

– Neue Tonaufnahmen und der Verarbeitungsprozess

Zusammen mit dem Wissenschaftler Avi Cohen Stuart (Assistent von Dr. C.Kamminga) und dem Tontechniker Bert v.d. Wolf habe ich am 15.4.2004 neue digitale Tonaufnahmen von Delphinen im Delphinarium von Duisburg vorgenommen. Der Leiter des Delphinariums ist Manuel Hartmann, ein Schüler von C.Kamminga.

Mit der neuen digitalen Technik (sample rate 384 Khz) konnten qualitativ sehr gute Tonaufnahmen realisiert werden, die auch eine vielseitigere digitale Bearbeitungsweise zulassen.

Bei den Delphinen handelt es sich um Ultraschall (-150.000 Hz), der dann nach unten in den hörbaren Frequenzbereich (-20.000 Hz) transponiert wird und als Klangmaterial der Komposition “Cetacea” dient. Natürlich wird durch die Transposition auch die Zeitkonstante verändert. Dies ist aber wünschenswert, da die Klicks der Delphine normalerweise in sehr kurzen Zeitintervallen abgegeben (clicktrains) und von dem menschlichen Ohr als Rhythmuspatron nicht wahrgenommen werden.

– Senegal

Eine Zusammenarbeit mit Doudou N’Diaye Rose, er ist ein sehr bekannter Sabar-Trommler aus der Region Senegambia in Senegal, ist eine sehr wichtige Informationsquelle für die Komposition “Cetacea”. Die Sabar ist eine einfellige, konische Holztrommel, die mit einem Ziegenfell bespannt und mit Holzpflöcken gespannt wird. „Sabar“ bezeichnet dabei nicht nur die Trommel, sondern auch die mit diesen Instrumenten begleiteten Tänze und Feste. Die Sabar wird zu religiösen und sozialen Anlässen wie Taufen, Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten gespielt. Doudou N’Diaye Rose ist in einer Musikerkaste, die man Griot (portugiesisch von criado = Diener) nennt. Er weiß von der geheimen Kraft der Rhythmen und ihren Tonsprachen (talking drums) und die in Epen aufbewahrte Geschichte des eigenen Volksstammes wird vom Vater auf den Sohn übertragen. Die Trommelsprache ist die unmittelbare natürliche Wiedergabe der Sprache im Senegal. Sie ist wie eine Schrift, die jeder kennt, nur wird sie nicht mit dem Auge gelesen, sondern gehört.

Diese Sprache, die Rhythmen von Doudou N’Diaye Rose, werden live und/oder als Tonmaterial in die Komposition “Cetacea” integriert. Im Juli 2005 habe ich mit Doudou und seiner Gruppe in Dakar Teile von “Cetacea“ geprobt und neue musikalische Anregungen zur Komposition erhalten.

Über den elektronischen Kompositionsteil von “Cetacea”

Durch die oben erwähnten Tonaufnahmen und die Bearbeitungstechnik besteht das Basismaterial von “Cetacea” aus rhythmischen Klicks in verschiedenen Tonhöhen. Neben diesem Rhythmus/Klang-Teppich kommen in “Cetacea” noch Geräusche wie Stöhnen, Trillern, Quietschen, Knarren und das bekannte Pfeifen der Delphine vor, die signalartig in die Komposition eingebettet sind. Außerdem gibt es noch einen tiefen Orgelpunkt (25 Hz – 150 Hz), der eine Basslage ergibt.

Da das wichtigste Klangmaterial für “Cetacea” aber aus „Sonar“ besteht, das sich im Wasser zwar 4,5 mal schneller als in Luft fortbewegt, aber verhältnismäßig leise ist und kürzere Wellenlängen besitzt, gelten diese Prämissen auch für “Cetacea” . Die Komposition “Cetacea” wird somit verhältnismäßig leise, aber im Bezug auf die Raumbeschallung sehr direkt sein. Da Sonar eine Verwandtschaft mit Radar aufweist, besitzt “Cetacea” eine pulsartige „Rhythmussprache“.

Über “Cetacea”

Es besteht somit ein musikalischer Kontrast zwischen dem fragilen, leisen, elektronischen Kompositionsteil und den körperlich expressiven, signalartigen Schlägen der 6 Schlagzeuger. Die Schlagzeuger spielen ihre eigenen Rhythmen aus Senegal und neue komponierte Rhythmuspatronen, die von den Klickstrukturen der Delphine abgeleitet sind. Die elektronische Komposition ist 5-kanalig. Sowohl die 5 Lautsprecher, als auch die 6 Schlagzeuger sind im Konzertraum verteilt aufgestellt. Die Lautsprecher können zwischen oder gegenüber den Schlagzeugern installiert sein. Mit diesem Raumkonzept ist gewährleistet, Kontraste zwischen den verschiedenen Rhythmen der Delphine und Schlagzeuger zu verdeutlichen, oder gerade Verbindungen herzustellen, die akustisch und musikalisch wahrnehmbar sind.

Bei einer möglichen Aufführung in einem Delphinarium soll “Cetacea” auch während des Konzertes in den Ultraschallbereich zurück transponiert werden (in real time). Die anwesenden Delphine können somit das Konzert und die Musik über Unterwasserlautsprecher hören.

Über die Aufführung von “Cetacea”

In Zusammenarbeit mit dem “Westdeutschen Rundfunk” in Köln (Markus Heuger) und dem Weltmusikfestival „Traumzeit“ (Wilfried Schaus-Sahm) ging “Cetacea” am 21. Mai 2006 im Landschaftspark Duisburg-Nord im Foyer der Gebläsehalle in Premiere. Am 15.7.2006 wurde “Cetacea” im „Studio Akustische Kunst“ WDR 3 (23.05-00.00) gesendet.

Doudou N’Diaye Rose und Michael mit einer der Delphine.

Fotos, die während des Konzerts beim ‘Traumzeit Festival’ in Duisburg aufgenommen wurden.

Film ‘Very Glissando’ von André Hogeslag, Ferry van der Werff und Hans Jonkhart.

© Copyright - Michael Fahres